In einem ersten Beitrag für eine gute Haltung durch Loslassen klingt auf den ersten Blick paradox, aber lesen Sie weiter) haben Sie Tipps für alltägliche Bewegung und Haltung im Stehen und Sitzen bekommen und schon erfahren, dass eine gute Haltung nicht mit Anspannung und Kraftanstrengung verbunden sein muss. Mit den Tipps für Haltung und Bewegung können Sie eine Rolfing Behandlung in Ihrer Wirkung unterstützen und in Ihrer Nachhaltigkeit verbessern. In diesem Beitrag der dreiteiligen Serie zu den Bewegungs- und Haltungstipps widmen wir uns drei weiteren alltäglichen Abläufen: Dem Aufstehen, Hinsetzen und Bücken.

Aufstehen, Hinsetzen und Bücken

Es gibt eine Vielzahl an Bewegungen und Bewegungsabläufen, die wir täglich durchführen. Warum in diesem Beitrag gerade das Aufstehen, Hinsetzen und Bücken näher betrachtet werden soll, wollen wir Ihnen gern erklären. Wenn Sie sich einen ganz normalen Tag einmal genauer vorstellen, dann wird Ihnen auffallen, wie oft Sie sich setzen, aufstehen und bücken. Und wirklich: diese drei Bewegungen sind die häufigsten und wichtigsten, die wir Menschen durchführen.

Außerdem folgen diese Bewegungen weitgehend einem gleichen Schema. Aufstehen und Hinsetzen verbinden die beiden Tätigkeiten Stehen und Sitzen, mit denen sich der erste Teil der Serie für die Haltungs- und Bewegungstipps beschäftigt. Sie senken Ihren Körperschwerpunkt bei diesen Bewegungen ab oder Sie heben ihn an. Gleiches geschieht auch, wenn Sie sich bücken und danach wieder aufrichten.

Diese Grundbewegung führen Sie in einigen Abwandlungen im Prinzip den ganzen Tag durch. Es beginnt mit dem Aufstehen aus dem Bett. Hier wechseln wir das erste Mal am Tag vom Sitzen zum Stehen. Im Bad führen wir dann diese Grundmusterbewegungen gleich mehrfach wieder aus und setzen uns dann an den Frühstückstisch. Sie sehen, allein in den ersten Minuten am Morgen führen wir die drei Bewegungen Aufstehen, Hinsetzen und Bücken schon mehrfach aus. Wenn Sie jetzt an Ihren weiteren Tag denken, dann werden Sie sicher noch viele weitere Abläufe und Bewegungen vor sich sehen, die dem Aufstehen, Hinsetzen und Bücken sehr ähnlich sind.

Je nachdem, wie Sie diese Bewegungen ausführen, belasten Sie Ihren Körper dabei mehr oder weniger. Viele Menschen führen die Bewegung des Bückens zum Beispiel so aus, wie in der Abbildung unten links zu sehen. Dabei geht das Absenken des Körperschwerpunkts mit einer Stauchung des Rumpfes einher, was zu einer Belastung sämtlicher Strukturen des Rumpfes führt. Wenn Sie stattdessen bei dieser Bückbewegung den Rumpf bewusst in die Länge gehen lassen, wird dieser gedehnt und nicht gestaucht. Um das zu erreichen werden bestimmte  Muskeln gezielt losgelassen und entspannt.

Widmen wir uns also nun den drei Tätigkeiten im Einzelnen. Sie können die Übungen in Folge, aber auch einzeln durchführen. Üben Sie nicht zu lange, hören Sie auf, wenn Sie spüren, dass Ihre Konzentration nachlässt.

Aufstehen

Die erste Tätigkeit, die wir erklären wollen, ist das Aufstehen.

  1. Nehmen Sie sich wieder den Stuhl oder Hocker mit der harten Sitzfläche, den Sie schon bei den Übungen zum aufrechten Sitzen benutzt haben. Setzen Sie sich darauf und stellen die Füße etwas versetzt (d.h. die Füße sind ungefähr hüftbreit auseinander; ein Fuß ist etwas weiter vorne als der andere).
  2. Nun lassen Sie Ihr Becken locker nach vorne rollen und lehnen Sie sich mit dem Brustkorb vor. Es ist wichtig, dass dabei Ihr Brustbein nicht absinkt, sondern oben bleibt. Es hilft, sich eine Gallionsfigur am Bug eines Segelschiffes vorzustellen. Ihr gesamter Oberkörper inklusive Becken ist nun aus der Hüfte heraus nach vorne gelehnt und wird gestreckt. Ihr Körperschwerpunkt ist jetzt über Ihren Füßen oder knapp dahinter.
  3. Im letzten Schritt lassen Sie nun Ihren Oberkörper nach vorne kippen und Ihren Sitzbeinhöcker in der gleichen Bewegung nach oben steigen. Der Schwerpunkt Ihres Körpers liegt nun endgültig über Ihren Füßen.

Stehen Sie nun auf. Sie werden merken, dass beim Strecken der Beine, Ihr Körperschwerpunkt senkrecht nach oben gehoben wird. Das Aufstehen macht keine Mühe, da Ihr Körperschwerpunkt sich direkt über Ihren Füßen befindet. Ihr Brustbein und der Oberkörper werden beim Durchstrecken der Beine nach oben gehoben und Sie kommen in eine aufrechte Position. Die folgenden Abbildungen visualisieren die Übung noch einmal.

Das sollten Sie bei der Ausführung der Bewegung beachten:

Bringen Sie Ihren Körper am Ende der Bewegung nicht zum Überstrecken, d.h. lassen Sie Hüften in der letzten Phase nicht nach vorne gleiten.

Was Sie fühlen sollten:

Wenn Sie, wie in der Übung beschrieben, aufstehen, werden Sie spüren, wie leicht Ihnen die Bewegung fallen wird. Dadurch, dass Sie Ihren Körper in der Bewegung lang werden lassen, wird er nicht gestaucht, sondern ganz im Gegenteil, er fühlt sich lang und gestreckt an, wenn Sie sich vollständig aufgerichtet haben.

Hinsetzen

Das Hinsetzen führen Sie genauso aus wie das Aufstehen, nur in umgekehrter Reihenfolge.

  1. Zu Beginn der Übung stehen Sie mit etwa hüftbreit und etwas versetzt stehenden Füßen. Verteilen Sie Ihr Gewicht etwa gleich auf beide Füße. Die Arme lassen Sie locker an den Seiten herabhängen, Ihre Schultern sind entspannt.
  2. Lassen Sie nun Ihre Bauchmuskeln bewusst locker. Dadurch fängt ihr Schambein an, leicht nach unten und hinten zu gleiten. Entspannen Sie Ihre Gesäßmuskeln. Das Loslassen von Gesäßmuskeln und Schambein führt dazu, dass Ihre Hüftachse zurückgleitet. Lassen Sie Ihren Brustkorb gleichzeitig nach vorne gleiten und achten Sie wieder darauf, dass das Brustbein dabei möglichst oben bleibt. Der Körperschwerpunkt bleibt dabei über den Füßen, Ihre Knie sind weiterhin gestreckt.
  3. Bemerken Sie nun eine leichte Spannung in den Waden oder an der Rückseite Ihrer Oberschenkel, lassen Sie Ihre Knie nach vorne gleiten. Die Hüftachse gleitet in dieser Bewegung weiter nach hinten. Ihr Körper geht in die Länge, da die Bewegungen entgegengesetzt ausgeführt werden. Ihr Brustbein und die Knie gehen nach vorne, die Hüftachse und die Fersen gehen nach hinten und Ihr Körperschwerpunkt sinkt dadurch.
  4. Durch diese Bewegung des Nach- Hinten-Gleitens und dem Absenken des Körperschwerpunkts nähern Sie sich der Sitzfläche des Hockers oder Stuhls.
  5. Richten Sie Ihren Oberkörper auf, sobald Sie mit Ihrem Gesäß die Sitzfläche berühren. Lassen Sie in dieser Bewegung das Brustbein ansteigen, bis Sie sich in einer aufrechten Sitzposition befinden.

Beim Hinsetzen befinden sich die Sitzbeinhöcker weit hinten, der Schwerpunkt Ihres Oberkörpers liegt etwas davor. Dadurch, dass Ihr Brustbein sich leicht vorne befindet und senkrecht steht, ist die Vorderseite Ihres Rumpfes lang. Ihr Oberkörper setzt sich leicht und ohne Anspannung auf den Stuhl. Sie lassen diese Bewegung gezielt zu. Die Übung liest sich schwerer als sie ist. Die Bilder veranschaulichen die Bewegung.

Das sollten Sie fühlen:

Sie spüren, dass Ihr Körper im Sitzenpraktisch von selbst aufrecht bleibt, ohne dass Sie Kraft in diese Position investieren müssen, wenn Sie die Bewegung korrekt ausführen. Wenn es nicht gleich beim ersten Mal klappt, ist das nicht schlimm. Wiederholen Sie die Übung. Nach und nach wird es Ihnen leichter fallen, die Bewegung richtig auszuführen und Ihre Rolfing Behandlung zu unterstützen.

Bücken

Sehr ähnlich dem Hinsetzen ist das Bücken. Beide Bewegungen beginnen gleichartig, so dass die Schritte 1 bis 3 in den Übungen zum Bücken und Hinsetzen identisch sind.

  1. Beginnen Sie also auch hier wieder mit hüftbreit und leicht versetzt stehenden Füßen im Stehen. Die Schultern sind entspannt und Ihre Arme hängen locker an den Seiten herab.
  2. Die Bauchmuskeln lassen Sie bewusst locker und Ihr Schambein gleitet leicht nach hinten und unten. Sie entspannen Ihre Gesäßmuskeln. Ihre Hüftachse gleitet durch dieses gezielte Loslassen etwas zurück, Ihr Brustbein gleitet dabei etwas nach vorn und bleibt oben. Ihr Körperschwerpunkt bleibt in diesem Schritt direkt über den Füßen, gleitet nicht nach hinten, aber auch nicht nach vorn. Ihre Knie sind noch gestreckt.
  3. Lassen Sie Ihre Knie nach vorne gleiten, sobald Sie eine Spannung auf der Rückseite Ihrer Oberschenkel oder Ihrer Waden spüren. Gleichzeitig gleitet Ihre Hüftachse weiter nach hinten. Ihr Körper geht in dieser Bewegung in die Länge und der Körperschwerpunkt sinkt.
  4. Nun setzen Sie sich aber nicht automatisch, sondern nehmen zum Beispiel einen Gegenstand auf, der vor Ihnen steht und richten sich wieder auf. Dafür führen Sie die Bewegung in umgekehrter Reihenfolge durch. Ihre Füße drücken Sie leicht gegen den Boden. Lassen Sie Ihren Körperschwerpunkt ansteigen. Die elastische Kraft, die Sie durch das In-die-Länge-Gehen in den gedehnten Faszien Ihres Körpers aufgebaut haben, hilft Ihnen beim Aufrichten. Nur noch ein wenig Muskelkraft ist nötig, damit Sie sich mit erstaunlich wenig Anstrengung wieder aufrichten können.

In den Abbildungen können Sie den Prozess des Bückens noch einmal ansehen.

Im nächsten Beitrag im Rolfing Blog widmen wir uns noch zwei weiteren alltäglichen Tätigkeiten und geben Ihnen Tipps für verschiedene Bewegungen im Liegen und für das Atmen. Die Bedeutung des Atmens und die Schaffung eines größtmöglichen Raumes für eine freie Atmung ist auch Bestandteil der Kernphase des Rolfing Prozesses.