Rolfing strukturelle Integration betrachtet den Körper in seiner Gesamtheit und untersucht die Zusammenhänge von Haltung und Bewegung. Das Ziel einer Rolfing-Behandlung ist die Verbesserung von Haltungs- und Bewegungsmustern Ihres gesamten Körpers. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob Sie aktuell Beschwerden haben oder nicht. Unabhängig von Ihrem Gesundheitszustand können alle Menschen von einer Rolfing-Behandlung profitieren. Rolfing als Gesundheitsvorsorge kann helfen, Beschwerden des Bewegungsapparates vorzubeugen. Bei schon bestehenden Beschwerden kann sich Rolfing positiv auswirken, indem Ursachen von Schmerzen vermindert oder beseitigt werden.

Wir wollen Ihnen in diesem Beitrag erklären, wie ein qualifizierter Rolfer die Struktur Ihres Körpers analysiert und daraus ein Konzept für die Behandlung ableitet.

Die Auswahl Ihres Rolfers

Der Rolfing-Prozess beginnt schon mit der Auswahl Ihres Rolfers. Unter www.rolfing.org finden Sie eine Liste mit zertifizierten Rolfern in ganz Europa. Eine Liste mit Rolfing Praxen in Berlin finden Sie unter www.berlin-rolfing.de, Hubert Ritter ist ein zertifizierter Rolfer mit Praxis in Berlin-Charlottenburg. Ehe Sie Kontakt zu mir oder einem anderen von Ihnen ausgewählten Rolfer aufnehmen, überlegen Sie genau, welche Fragen Sie haben. Schon im ersten kurzen Gespräch ist es für den Rolfer wichtig zu erfahren, ob Sie:

  • akute Schmerzen haben
  • das Gefühl haben, dass Ihr Körper aus dem Gleichgewicht geraten ist
  • verspannt und unbeweglich sind
  • mit Ihrer Körperhaltung unzufrieden sind.

Stellen Sie dem Rolfer Fragen zu seiner Qualifikation, zur Länge der Sitzungen und zu den Kosten einer Behandlung. Weitere wichtige Faktoren für die Auswahl Ihres Rolfers sind die Nähe zu Ihrem Wohnort, die Erfahrung, die der Rolfer mitbringt und vor allem das Vertrauen und die Sympathie zwischen Ihnen beiden.

Wenn Sie noch nicht ganz sicher sind, dann bieten viele Rolfer auch unverbindliche Informationsgespräche an, bei denen Sie den Rolfer persönlich kennenlernen und sich ein noch umfassenderes Bild machen können. Nutzen Sie solche Gespräche, um Ihre Entscheidung zu treffen. In einem solchen ersten Gespräch kann der Rolfer außerdem schon erste Eindrücke von Ihnen als Person, Ihrer Bewegung und Ihrer Körperhaltung bekommen.

Vor der Rolfing-Behandlung

 

Das persönliche Gespräch

In der ersten Stunde wird der Rolfer Ihnen einige Fragen zu Ihrer Gesundheit stellen, Ihre Haltung und Bewegung analysieren und mit Ihnen gemeinsam die Ziele der Behandlung besprechen. Rolfing ist immer eine ganz individuelle Erfahrung. Das Ergebnis der Behandlung vorauszusagen ist daher unmöglich.

In Ihrer ersten Sitzung werden Sie ein Gefühl dafür bekommen, ob Ihnen die besondere Art der Berührung, wie sie in Rolfing strukturelle Integration angewendet wird, zusagt und Sie sich dabei wohl fühlen.

Die Analyse von Struktur und Bewegung

Nach dem ersten persönlichen Gespräch wird der Rolfer bzw. die Rolferin sich Ihre Haltungs- und Bewegungsmuster ansehen. Dafür wird er Sie bitten, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, sofern Sie damit einverstanden sind. Nun betrachtet er Ihren Körper im Stehen und im Gehen, um Ihre Bewegungs- und Strukturmuster zu erkennen. Gibt es besondere Auffälligkeiten wie deutliche Einschränkungen der Bewegung in einem bestimmten Bereich des Körpers? Ist der Gang geschmeidig oder eher steif? Fällt ein Abschnitt des Körpers durch besondere Unruhe oder Ruhe auf?

Nach diesem ersten Eindruck erfolgt eine systematische Betrachtung und Analyse ganz bestimmter Aspekte der Struktur. Der Rolfer begutachtet, auf welche Art und Weise die einzelnen Teile Ihres Körpers zusammenwirken. Dabei orientiert er sich am Ideal einer Lotlinie durch den Körper. Diese perfekte Ausrichtung und Balance gibt es in der Realität allerdings nicht. Man kann sich dieser nur annähern. Daher sind Abweichungen von diesem Ideal, die Ihnen Ihr Rolfer aufzeigen wird, auch keine Anomalien, sondern lediglich Variationen, die in jedem Körper vorhanden sind.

Die Balance in der Profilansicht, das Betrachten der Links-Rechts-Symmetrie und Verdrehungen von Körpersegmenten um die Längsachse sind zentrale Aspekte, die dem Rolfer Aufschluss über Art, Weise und Umfang der Rolfing-Behandlung geben.

Balance in der Profilansicht

Eine besondere Bedeutung kommt der Ausrichtung unseres Körpers in der Seitenansicht zu, weil es in dieser Ebene besonders viele Variationsmöglichkeiten gibt. Im Idealbild liegen die Schwerpunkte der einzelnen Segmente unseres Körpers, gemeint sind hier im Kopf, Rumpf, Becken und Beine, genau auf einer Lotlinie. In der Realität wird sich diese exakte Ausrichtung allerdings niemals finden.

Da unser Körper immer in Bewegung ist, auch im Stehen, weicht unser Körperschwerpunkt (und mit ihm unser Becken) immer etwas nach vorn oder hinten von der Lotlinie ab. Die Wirkung der Schwerkraft verstärkt diese Abweichung tendenziell. Auch der Rest unseres Körpers wird durch diese Verschiebung des Beckens beeinflusst. Ist Ihr Becken beispielsweise nach vorn verschoben, überstrecken die Knie oft nach hinten und der Oberkörper lehnt sich leicht zurück. Kopf und Hals werden sich hierbei zum Ausgleich nach vorne verschieben. Die Figur in der Mitte der Abbildung zeigt diese typische Verschiebung.

Grafik Seitenansicht Körperhaltung

Solche Abweichungen von der Lotlinie entwickeln sich in einem langjährigen Prozess und stellen dann eine dauerhafte Grundposition unseres Körpers dar. Die Position hat sich ins Fasziennetz des Körpers eingeprägt und wir werden durch die Spannung der Faszien immer wieder in diese Position zurückgezogen. Da wir an diese Position gewöhnt sind, ist sie uns oft nicht als Abweichung bewusst, sondern kommt uns im Gegenteil ganz natürlich vor. Während einer Rolfing-Behandlung wird die eingeprägte Grundposition bewusst gemacht und dieses Spannungsmuster mithilfe der manuellen Faszienarbeit gezielt verändert. Ihr Körper soll so in eine neue, aufrechtere und stabilere Position geführt werden. Die aus Sicht von Ökonomie und Stabilität günstigste Ausrichtung ist eine minimale Verschiebung der Hüftachse nach hinten bei gleichzeitiger minimaler Kippung des Beckens nach vorne. In unserer Abbildung oben sehen Sie dieses Arrangement an dritter Stelle.

Links-Rechts-Balance und Symmetrie

Die rechte und die linke Seite unseres Körpers sind niemals vollkommen symmetrisch. Ihr Rolfer wird diese Asymmetrien mit seinem geschulten Blick sofort erkennen und sie in Zusammenhang mit Ihrem gesamten Körper bringen. Dabei richtet sich sein Blick in der Regel zunächst auf die Länge der Beine im Verhältnis zueinander, denn auch diese ist nie vollkommen gleich. Ein Bein kann beispielsweise dadurch kürzer werden, weil Verdrehungen im Becken und am Bein existieren. Die Länge der Oberschenkelknochen kann eine Rolle spielen, aber auch die Stellung bzw. die Form der Füße. Ein geknicktes Fußgewölbe kann beispielsweise das Bein insgesamt verkürzen, ein hoher Rist kann es verlängern.

Grafik Gegenüberstellung Unterschiedlich lange Beine

Wie Sie in der Abbildung sehen können, bewirkt eine unterschiedliche Beinlänge das Absinken des Beckens auf der Seite des kürzeren Beines. Eine leichte Schiefstellung durch einen geringen Unterschied in der Länge ist dabei normal. Es ergeben sich aber größere statische Probleme, wenn der Längenunterschied der Beine deutlicher ausgeprägt ist. Unser Kopf und der Oberkörper kompensieren die Schieflage. Ist diese stark ausgeprägt, fällt die Kompensation durch Verschiebung der beiden Elemente stärker aus und führt zu unausgeglichener Spannung in Rücken und Nackenbereich.

Ausgleich der unterschiedlichen Länge der Beine

Hier kann eine Rolfing-Behandlung helfend eingreifen. Zwar kann der Längenunterschied in der Regel nicht vollständig ausgeglichen werden. Es ist aber möglich, durch das Behandeln der entsprechenden Faszien an den Bewegungsachsen Knöchel, Knie und Hüfte die Übergänge, insbesondere im längeren Bein, geschmeidiger zu machen. So wird das Bein insgesamt flexibler und kann in der Bewegung die überschüssige Länge quasi „schlucken“. Eine weitere Möglichkeit, die Beinlänge anzugleichen, ist das Ausrichten der Füße. Genaueres dazu können Sie in unserem Beitrag zu den ersten drei Sitzungen einer Rolfing-Behandlung im Teil zur Sitzung Nummer zwei nachlesen. Jede Angleichung der Beinlänge führt zu einer besseren Balance im Becken und verbessert das Fundament für das nachfolgende Ausrichten des Rumpfes.

In manchen Fällen kann auch eine Korrektur der Beinlänge durch das Tragen eines Verkürzungsausgleichs, zum Beispiel in Form einer Schuheinlage oder einer Erhöhung sinnvoll sein. In der Rolfing-Behandlung versuchen wir aber zunächst alle Möglichkeiten der Ausrichtung des Gewebes auszuschöpfen, um Ihren Körper wieder in Balance zu bringen.

Verdrehungen einzelner Segmente um die Längsachse

Im Rahmen der Analyse der Körpersymmetrie betrachten wir Rolfer auch immer die Rotationen um die Längsachse. Wir beurteilen die Verdrehungen der Segmente Kopf, Hals, Rumpf, Becken und Beine. Auch hier ist zu bemerken, dass  eine ideale Anordnung aller Segmente ohne Rotation in der Natur nicht existiert. Die Segmente sind immer leicht gegeneinander verdreht. Es gibt jedoch ein bestimmtes Grundmuster, so genannte Standardrotation. Diese kann allerdings durch individuelle Muster überlagert werden. Für einen besseren Bewegungsablauf und ein optimales Aus- und Aufrichten Ihres Körpers müssen auch diese in die Analyse mit einbezogen werden.

Analyse der Bewegung

Zum leichteren Verständnis haben wir die Analyse der Körperstruktur bisher auf das Stehen beschränkt. Die strukturellen Charakteristiken machen sich aber gerade in der Bewegung bemerkbar. Aus diesem Grund erfolgt die Analyse der Struktur immer auch im Gehen. Hier bekommt der Rolfer meist ein realistischeres Bild der Struktur Ihres Körpers. Im Stehen lässt durch muskuläres Anspannen manches vermeintliche Defizit korrigieren. Im Gehen kommen wir unserer alltäglichen Form meist näher.

Die Rolfing-Behandlung

Im Laufe des von uns beschriebenen Gesprächs und der Untersuchung Ihres Körpers hat sich der Rolfer einen komplexen Überblick über Ihre Bewegungs- und Haltungsmuster verschafft und schon eine Behandlungsstrategie entworfen. Er weiß, wo es an Geschmeidigkeit fehlt und wo und wie Ihr Körper von einer optimalen Aufrichtung abweicht. Als nächstes wird Ihr Rolfer Sie bitten, sich auf seine Behandlungsliege zu legen. Sie dürfen sich jetzt entspannen und loslassen. Je weniger Sie selbst machen und je mehr Sie sich entspannen, desto besser kann der Rolfer Ihre Faszien erspüren und behandeln. Mit seinen Händen übt er jetzt an spezifischen Stellen Druck oder Zug auf die Faszien aus. Sie lernen dabei den speziellen Rolfing-Touch kennen. Spätestens jetzt werden Sie wissen, ob diese Art der manuellen Behandlung für Sie geeignet ist. Ihr Rolfer wird Ihnen nach dieser ersten Sitzung Empfehlungen geben, wie die Behandlung nun weitergehen kann. Wenn Sie einen kompletten, aus zehn Sitzungen bestehenden Rolfing-Prozess durchlaufen möchten, dann informieren Sie sich in unserem Blog genauer darüber. Dort haben wir für Sie alle zehn Sitzungen detailliert und verständlich beschrieben.

 

Die 10 Sitzungen des Rolfing-Prozesses: Sitzung 1 bis 3

Die 10 Sitzungen des Rolfing-Prozesses: Sitzung 4 bis 7

Die zehn Sitzungen des Rolfing-Prozesses: Sitzungen 8 bis 10