In der Regel umfasst ein Rolfing-Prozess zehn Sitzungen. Das Konzept hierzu wurde von Dr. Ida P. Rolf entwickelt und diente ursprünglich als Instrument der Ausbildung von Rolfern. Das Erkennen körperlicher Struktur- und Bewegungsmuster sowie das Entwickeln einer darauf abgestimmten Behandlungsstrategie sind komplexe Unterfangen. Dieses Konzept bietet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit Hilfe derer die Abfolge der zehn logisch aufeinander aufbauenden Schritte gewährleistet wird. Dabei bleibt dem Rolfer trotzdem genügend Freiraum, um auf die individuellen Bedürfnisse der Klienten einzugehen.

Warum zehn Sitzungen?

Jede der zehn Sitzungen hat ihren eigenen Schwerpunkt und dient einem bestimmten Teilziel der Behandlung. Diese Teilziele ergänzen sich gegenseitig und fügen sich Schritt für Schritt zu einem großen Ganzen zusammen. Die zehn Sitzungen bilden einen äußeren Rahmen, der die Behandlungsserie zeitlich begrenzt. Nach diesen zehn Behandlungen ist meist ein bestimmtes Level bezüglich der weiteren Veränderung erreicht. Dann braucht der Organismus Zeit, um die bisherigen Veränderungen zu verarbeiten.

Die zeitliche Begrenzung von zehn Sitzungen soll aber nicht bedeuten, dass Sie anschließend keine Rolfing-Behandlung mehr erhalten sollten. Im Gegenteil: Nach einer angemessenen Pause können weiterführende und auffrischende Sitzungen sogar sehr sinnvoll sein.
Liegen zwischen der letzten Behandlung mehrere Jahre, kann es angebracht sein, die kompletten zehn Sitzungen zu wiederholen. Im Idealfall sind Rolfing-Behandlungen somit Teil eines lebenslangen Lern- und Entwicklungsprozesses. In dem heutigen Beitrag möchten wir uns zunächst den ersten drei Sitzungen widmen, die den Einstieg in den Behandlungsprozess darstellen.

Die erste Sitzung

Die erste Rolfing-Sitzung widmet sich dem Brustkorb, dem Schultergürtel und dem Übergang zwischen Becken und Beinen. Hier werden als Erstes die auffälligsten Einschränkungen in den oberflächlichen Faszien gelöst.

Brustkorb und Schultergürtel

Durch das Lösen dieser oberflächlichen Faszienschichten wird die Voraussetzung für eine freiere und tiefere Atmung geschaffen. Nach der Behandlung können sich die Rippen so eichter heben und senken, der Brustkorb kann sich beim Atmen in alle Richtungen ausdehnen und das Atemvolumen nimmt zu.

Der Übergang zwischen Becken und Beinen

Hier wird das Gewebe im Bereich der beiden Hüftgelenke gelöst. Dadurch kann sich das Becken möglichst frei um eine durch die beiden Gelenke gebildete Achse drehen. Von Anfang an wird hier darauf geachtet, dass sich das Becken dabei möglichst waagerecht, mit minimaler Tendenz zur Kippung nach vorne, ausbalancieren kann. Diese Balance des Beckens wird uns noch durch die gesamte Serie begleiten, denn sie ist eine der Grundvoraussetzungen für ökonomische Bewegung und eine in sich gestützte Körperstruktur.
Die Ziele dieser ersten Sitzung sind also das freiere Atmen, eine bewegliche Hüftachse und ein ausbalanciertes Becken. Zudem lernen Sie während der ersten Behandlung Rolfing besser kennen und erfahren wie sich der Rolfing-Touch anfühlt. Nach der ersten Behandlung entscheidet sich meist, ob Rolfing die richtige Behandlungsmethode für Sie ist.

Die zweite Sitzung

Die zweite Sitzung baut auf den Ergebnissen der ersten Sitzung auf. Sollen die hier erzielten Veränderungen lange anhalten, dann benötigt unser Körper Unterstützung durch Füße und Beine. Sie sollen ein stabiles, aber gleichzeitig auch flexibles Fundament für unseren Körper bilden.

Die Füße

Beim Stützen und Ausbalancieren unseres Körpers ist der Fuß ständig gefordert und großen Belastungen ausgesetzt. Zugleich wirkt er in der Bewegung stoßdämpfend. Damit das alles reibungslos funktioniert, ist der Fuß besonders komplex konstruiert. Dadurch ist er allerdings auch besonders anfällig für Deformationen, die das optimale Funktionieren einschränken oder gar verhindern.

Unser Fuß besteht aus zwei Längs- und einem Quergewölbe, die die Ferse mit dem Vorfuß verbinden. Das gezielte Lösen und Ordnen der Faszien des Fußes und des Unterschenkels beeinflussen den Lösen der Faszien im Fuß und UnterschenkelZustand und die Funktion der drei Gewölbe positiv. Mit dem Druck seiner Hände bringt der Rolfer die Gewölbe in ihre normale Form. Dabei achtet er darauf, dass die Gewölbe über die gesamte Länge eine federnde Elastizität aufweisen. Ertastet er eine Stelle, die sich durch auffällige Festigkeit abhebt, versucht er, diese mit gezieltem Druck zu lösen und anzupassen.

Auch die Stellung des Fußes im Verhältnis zum Unter- und Oberschenkel ist für ein gutes Funktionieren entscheidend. Sind die Füße nicht gerade ausgerichtet, sondern zeigen nach außen, kann das Körpergewicht nicht gleichmäßig über den gesamten Fuß verteilt werden, was auf Kosten der Stabilität geht. Fuß, Unter- und Oberschenkel werden deshalb so ausgerichtet, dass Füße und Knie möglichst gerade nach vorne zeigen.

Die Beine

Auch Ober- und Unterschenkel können gegeneinander verdreht sein und so die Ursache einer Fehlstellung der Knie oder der Füße bilden.. Daher ist das Ausrichten des gesamten Beines für eine optimale Funktion erforderlich. Die Segmente des Beines (Fuß, Unter- und Oberschenkel) sollen möglichst wenig gegeneinander verdreht und die drei Hauptbewegungsachsen (Sprunggelenk, Knie- und Hüftachse) sollen möglichst parallel zueinander ausgerichtet sein. Nur dann ist ein reibungsloses Zusammenspiel der Teile möglich. Dieses Zusammenspiel ermöglicht einen weichen und federnden Gang.
Das Ausrichten der Fußgewölbe, Beinsegmente und Beinachsen schafft die Voraussetzung für ein stabiles und zugleich federndes Fundament für unseren Körper. Damit ist das Hauptziel der zweiten Sitzung erreicht.

Die dritte Sitzung

Die dritte der zehn Sitzungen beschäftigt sich mit der Verbesserung der Balance zwischen der Vorder- und Rückseite des Körpers. Hier rückt das Hauptziel der gesamten Behandlungsserie (die Hauptsegmente des Körpers von Kopf bis Fuß entlang einer Lotlinie anzuordnen) zum ersten Mal in den Mittelpunkt.
Schritt für Schritt werden hier die Faszien entlang der gesamten Körperseite von Kopf bis Fuß gelöst und geordnet. Zunächst widmet sich der Rolfer der Ausrichtung Ihres Beckens. Je nach Tendenz der Position des Beckens löst er zuerst die Faszien vor oder hinter der Hüftachse. Gleichzeitig bringt er das Becken in eine minimale Vorwärtskippung.

Ist das Becken ausgerichtet, löst der Rolfer die Faszien im Bereich der Taille. Sie soll möglichst lang werden.
Anschließend werden die Faszien an der Seite des Brustkorbs gelöst und geordnet. Denn die Seiten müssen lang genug sein, damit sich der Rumpf leicht und lang aufrichten kann.
Weist nach der Sitzung die Seitenansicht des Körpers mehr Länge von Kopf bis Fuß auf und ist das Becken möglichst zentral ausgerichtet, sind die Ziele der dritten Sitzung erreicht.

Der Einstieg in den Rolfing-Prozess ist abgeschlossen. In unserem nächsten Beitrag werden wir uns den „Core-Sessions“, sprich: den Sitzungen 4 bis 7 widmen.